Kalkschachtöfen in Zossen

Autorin:
Kunsthistorikerin Hiltrud Preuß, Sachbearbeiterin in der Unteren Bauaufsichts- und Denkmalschutzbehörde des Landkreises Teltow-Fläming

"Nähert man sich auf der Eisenbahn der gewerbereichen Stadt Zossen, so erblickt man vom Bahnhof aus in dem spitzen Winkel, den die Gleise durch das Überschreiten des Nottekanals mit diesem bildet, zwei hochragende Türme, deren Mauerwerk durch eiserne Bänder und Schienen verstärkt ist, und die unterhalb der steil ansteigenden, kegelförmigen Steinhauben durch eine augenscheinlich zum Befördern größerer Lasten berechnete Eisenbrücke mit einander verbunden sind." So lautet die Beschreibung der Zossener Kalkschachtöfen aus einer Festschrift für die "Kalkbrennerei und Cementfalsstein- Fabrik F. Oertel". Franz Oertel, der Begründer der gleichnamigen Firma, ließ die Schachtöfen nach dem System Lösche am Nottekanal errichten. Nach Oertel wurde später die am Kanal verlaufende Straße benannt. Baumeister war der Diplom-Hütten-Ingenieur Ernst Schmatolla aus Berlin.

Um 1850 wurde zunächst nur ein Ofen dieser Bauart errichtet. Der zweite Ofen wurde etwa 30 Jahre später in unmittelbarer Nähe zum ersten errichtet. Anfangs waren beide Öfen baugleich. Heute ist erkennbar, dass sich beide voneinander unterscheiden, denn der niedrigere und ältere ist achtzehn Meter hoch und hat einen Durchmesser von sieben Metern. Der benachbarte jüngere Ofen ist drei Meter höher und auch in seiner Haube anders gestaltet. Die Öfen wurden für einen permanenten Betrieb gebaut, denn das Brennen des Kalks dauerte drei Tage, wobei ein Tag für das Vorwärmen des Ofens benötigt wurde. Dementsprechend mächtig ist auch die Ofenwand mit ihren zwei Metern zuzüglich einer 0,5 Meter starken Schamottsteinlage.

Als Feuerung wurde Braunkohle mit einer geringen Beimischung von Steinkohle verwendet. Der Kalk wurde auf dem Nottekanal per Kahn angeliefert und mittels Loren über einen Aufzug zur Haube gebracht. Der zweite Ofen konnte über eine Beschickungsbrücke beliefert werden. Diese Brücke war ursprünglich mit Brettern verkleidet. Die Öfen wurden von mehren Seiten befeuert, wobei der jüngere Ofen nicht sehr lange in Betrieb war. Seine Feuerungsanlage weist kaum Gebrauchsspuren auf. Der "gar" gebrannte Kalk fiel nach unten, wurde nach einer Abkühlphase entnommen ("gezogen") und mit Wasser gelöscht. Die Jahresmenge des fast ausschließlich aus den Rüdersdorfer Kalksteinbrüchen stammenden Rohkalks betrug 40 bis 50 Tonnen, die dann 20 bis 25 Tonnen gebrannten Kalk ergaben. Insgesamt waren 15 Arbeiter angestellt, sie erhielten neben einem Tagelohn von 2,50 Mark auch Naturalien für ihren Lebensunterhalt.
Die beiden Kalköfen liegen rund 50 m vom Nottekanal entfernt. Zu ihm führte eine Gleisanlage, auf der das auf Kähnen angelieferte Kalkgestein mit Loren zu den Öfen transportiert wurde. Die Zossener Kalkbrennöfen stellen eine Weiterentwicklung gegenüber den Rumfordschen Kalköfen in Rüdersdorf dar. Sie waren die modernsten ihrer Zeit und stellten zugleich das Ende einer Entwicklung dar. Selbst Schachtofenbatterien wie in Rüdersdorf, erbaut 1871/77, konnten den steigenden Kalkbedarf im Baugewerbe nicht decken. Die weitere Entwicklung konzentrierte sich auf leistungsfähigere Drehrohröfen.

In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Kalkbrennerei eingestellt, auf dem Gelände entstand eine Zementfalzsteinproduktion für Dachdeckungen. Der Grund für die Einstellung der Kalkbrennerei lag möglicherweise auch in der Aufgabe der Sperenberger Gipsbrüche, denn bei der Rücktour der Gipstransporte auf dem Nottekanal von Berlin nach Sperenberg konnte Rohkalk aus Rüdersdorf transportiert werden. Als der Gipsabbau eingestellt wurde, entfielen auch diese Touren. Heute ragen die Kalkschachtöfen wie ein Wahrzeichen der Stadt Zossen in den Himmel. Sie sind allerdings etwas mitgenommen, denn der jahrelange Leerstand hat ihrer Substanz zu schaffen gemacht. In einer Notaktion musste die Eisenkonstruktion der Beschickungsbühne wegen akuter Einsturzgefahr abgenommen werden. Das gleiche Schicksal ereilte den hölzernen Aufzugskopf, dessen Maße gesichert sind, so dass bei einem Wiederaufbau die Proportionen nachempfunden werden können. Zurzeit wird das Gelände um die Kalköfen gewerblich genutzt. Zusammen mit dem Oertel'schen Wohnhaus, dem Nottekanal, dem gegenüberliegenden, frisch sanierten Elektrizitätswerk, der ehemaligen Druckerei an der Stubenrauchstraße und dem früheren Brauereilager der Bahnhofstraße und dem Bahnhofsareal der Berlin Dresdener Eisenbahn und der ehemaligen Königlich-Preußischen Militäreisenbahn bilden die Kalkschachtöfen das Industrieviertel Zossens. Dieses besitzt interessante Zeugen der Technik- und Transportgeschichte, die noch weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden sollten.
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